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Website-Update in Arbeit

Diese Website ist nun schon sieben Jahre online und das Design und Layout ist in die Jahre gekommen. Insbesondere mangelt es an einem responsiven Layout, so dass die Darstellung auf mobilen Endgeräten zu Wünschen übrig lässt. Daher wurde mit der Überarbeitung der Seite begonnen, die sie bald in einem ezitgemäßer Darstellung erscheinen lässt. Dann werden auch endlich die noch fehlenden Tonbeispiele nachgereicht.

Mailabsender gesucht!

(Erledigt) Vor kurzem erhielten wir eine Mail von einem Nutzer, der interessante Vorschläge zur Farbgestaltung der Tabelle in der Werkbesprechung Toccata und Fuge d-moll (“dorische”) / BWV 538 unterbreitete. Doch leider stimmte die angegebene Mailadresse des Absenders nicht, so dass bislang keine Kontaktaufnahme möglich war. Der betreffende Nutzer mit den Initialien F. S. möge sich daher bitte noch einmal mit der korrekten Mailadresse an uns wenden. Vielen Dank!

Webseite war offline

Durch eine Fehlkonfiguration des Webseiten-Backends nach einer Umstellung der PHP-Umgebung auf dem Server war bachs-orgelwerke.de vom 06. bis zum 08.02.2017 nicht erreichbar. Wir bitten, die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen!

   

Entstehungszeit: Leipzig

Präludium und Fuge d-moll BWV 539 bieten uns im Rahmen der freien Orgelwerke Bachs einen interessanten Sonderfall, der zudem Rätsel aufgibt. Als einziges innerhalb der Präludium-Fuge-Kombinationen ist das Präludium ein manualiter-Stück. Die Fuge wiederum ist keine Originalkomposition, sondern die um zwei Takte erweiterte Bearbeitung einer Fuge Bachs für Violine solo (Sonate I g-moll/dorisch notiert, 2. Satz; BWV 1001). Ob die Zusammenstellung manualiter-Präludium plus Fugenbearbeitung auf Bach zurückgeht, bleibt eine offene Frage. Forkel führt die beiden Stücke im Anhang seiner Bachbiographie (1802) erstmals als zusammengehörig an, muß sich also auf eine Tradition des zumindest späten 18. Jahrhunderts gründen; direkte Quellenbelege sind uns allerdings nur aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erhalten. Ein zweiter, unabhängiger Überlieferungsstrang, der die Fuge allein bietet, reicht ebenfalls in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück.

Eine andere offene Frage ist, ob die Orgelversion von Bach selbst oder von anderer Seite (bzw. von anderer Seite unter Bachs Aufsicht) stammt. Manches an der Umsetzung der latenten und realen Violinpolyphonie in die obligate Vier- bzw. Fünfstimmigkeit für die Orgel zeugt von jener umsichtig-einfallsreichen Könnerschaft, an die wir speziell von Bachs Transkriptionen BWV 593, 595 und 596 her gewohnt sind. Hierher gehören z. B. die die Vorlage erweiternden Partien der Takte 4-6 und 29/30, sowie die zusätzliche Einfügung eines Themaeinsatzes im Tenor in Takt 17. Manches weniger Geglückte nährt hingegen Zweifel, etwa das isolierte Sechzehntel auf dem letzten Viertel in Takt 7, das Gedränge zwischen Pedalbaß und unterem Manualtenor in den Takten 48 und 84, ferner die Harmonisierung des letzten Achtels in Takt 12 mit C-Dur statt mit dem Sextakkord von a-moll. All dies darf aber nicht von der Tatsache ablenken, daß wir es mit authentisch Bachscher Musik zu tun haben und sich insgesamt ein fesselndes Orgelstück ergibt, das man gern häufiger zu hören bekäme.

Ein Anhaltspunkt für die Datierung ergibt sich aus dem Umstand, daß die Orgelfassung der Fuge nicht nach dem Bachschen Autograph der Sonaten und Partiten für Violine solo aus dem Jahre 1720, sondern nach einer im Zeitraum 1717-1731 entstandenen Abschrift von der Hand Anna Magdalena Bachs gearbeitet ist. Sie übernimmt nämlich eine dort zu findende, charakteristische Textvariante (vgl. letztes Viertel Takt 70 der Orgelfassung mit Takt 68 der Violinfassungen). So kann man das Werk, zumindest was die Fuge angeht, auf die Leipziger Jahre um 1730 (oder später) ansetzen. – Übrigens gibt es noch eine gute Transkription der Fuge für Laute in g-moll unter Bachs Namen (BWV 1000), die aber zu dem hier besprochenen Zusammenhang keine weiteren Bezüge aufweist.

Der gediegene Wert des Präludiums

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bleibt oft unbeachtet, so unprätentiös, so ruhig und versonnen kommt es daher. Seine strukturellen Konturen gewinnt es aus der Weiterverarbeitung der Baßlinie zu Beginn: die an eine halbe Note angebundene Achtelbewegung wird in steigerndem Aufbau von Mal zu Mal weiter ausgesponnen, um schließlich in längeren, teilweise gleichlautenden Linien abzufließen. Für weitere Ordnung sorgt der schlichte Modulationsplan, der den Gang der Entwicklung in feiner, fast unmerklicher Weise mitgestaltet: denn jeder harmonische Ziel- und Angelpunkt wird in jeweils etwas größerem Zeitraum erreicht als der vorige. Im siebenten Takt kommen wir nach a-moll, achteinhalb Takte weiter nach E-Dur; neun Takte darauf ist die Musik, diesmal prononciert abkadenzierend, wieder bei a-moll angelangt – wir befinden uns nicht nur ästhetisch und formal, sondern beinahe auch arithmetisch genau in der Mitte des Stücks (Takte 23/24). Neuneinhalb Takte später, also wieder nach etwas längerer Zeit, erleben wir die Rückkehr in die Haupttonart (Takt 34), nochmals zehn Takte danach geht das Präludium mit der gleichen Kadenzformel, die schon das Zentrum (T.23) kennzeichnete, zuende. Klare, symmetrische Abrundung erfährt die Komposition endlich. dadurch, daß Bach am Schluß, bei der Rückkunft in die Haupttonart (T.34), die ersten sechs Takte des Stückes reprisenartig wiederholt.

Eine Allerweltsformel der barocken Kontrapunktik ist die Wendung

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Durch Installation eines verlängerten Auftaktes

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verleiht ihr Bach soviel Prägnanz, daß sie zum Fugenthema taugt. Der Charakter des Themas gibt die Faktur des Stückes weitgehend vor. Denn seine pochende Rhythmik und fast kurzatmige Knappheit lenken die Entwicklung – wie bei ursprünglicher Violinmusik nicht anders zu erwarten – in die Richtung des locker Gefügten, des Spielmusikhaften. Ihre polyphonen Partien weisen natürlich nicht jene Dichte und obligate Melodisierung aller Linien anderer Bachfugen auf, sondern lassen mehr an die Fugenkontrapunktik der norddeutschen Orgelmeister und ihrer Vorbilder denken, die oft zu einer Art “obligaten Accompagnements” tendiert. Entsprechend häufig begegnen wir in deren Musik ja auch Themen, die ebenso knapp formuliert sind und gern mit Tonrepetitionen arbeiten. Auch die ausgedehnten freien Fortspinnungen, Zwischenspiele und “konzertierenden” Partien unserer Fuge lassen unschwer die violinistische Herkunft erkennen, auch wenn sie in der Orgelfassung mit Füllstimmen und Generalbaßakkorden befrachtet sind.

Das Mithören der Fuge bereitet keine Schwierigkeiten. Sie gliedert sich in etwa drei gleichlange Großabschnitte und eine Coda: die Takte 1-25 (aus zwei Unterabschnitten bestehend) bewegen sich in d-moll, die Takte 25-57 in a-moll, schließlich aber nach g-moll modulierend; 57-89 kehren, nach überraschend schneller Wende ins parallele F-Dur, in die Haupttonart zurück, die Takte 89-96 bieten die Coda. Die Fuge ist bis Takt 30 vier-, dann fünf- und ganz gelegentlich sogar sechsstimmig gearbeitet. Durch die Einschübe in den Takten 5 und 29/30 gerät das Stück zwei Takte länger als die Vorlage. Prägend für den Gesamtcharakter ist die tupfende Achtelkontrapunktik in den Rhythmen

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Interessant ist ein Vergleich mit der Fuge aus BWV 541. Deren Thema enthält als Bauelement unser Fugenthema BWV 539. Aber welch völlig andere musikalische Entwicklung nimmt die G-Dur-Fuge dadurch, daß Bach das Thema 539 in einen größeren melodischen Zusammenhang stellt!

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(Thema der G-Dur-Fuge BWV 541/2; das Thema aus BWV 539 ist eingerahmt)

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