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Entstehungszeit: Weimar

Von den zu Beginn der Weimarer Zeit entstandenen “Studienarbeiten” (näheres dazu siehe unter BWV 574) ist neben der Canzona BWV 588 die Fuge in h-moll über ein Doppelthema von Corelli die ansprechendste Leistung. Da das Stück heutzutage im Orgelunterricht viel strapaziert wird, überdies als “leichter” und nicht so repräsentabel gilt, findet es kaum einmal Aufnahme in ein professionelles Programm. Durch oft nur technisch bedingte “elegisch-akademische‘” Interpretation im Unterricht ist es musikalisch überdies meist “vorbelastet”; dabei könnte eine zügigere und flüssigere Wiedergabe der Fuge zu starker Wirkung verhelfen und ihre musikalischen Reserven voll freisetzen.

Zu solcher musikalischer Auffassung legitimiert auch die Tempovorschrift “Vivace” in der Corellischen Vorlage. Das Doppelthema findet sich im 2.Satz der Kirchensonate op.3/Nr.4 für zwei Violinen und Generalbaß und war 1689 im Druck erschienen:

bwv579-1

Da Bach zum Zeitpunkt der Komposition die Formmittel des italienischen Konzerts moderner Vivaldischer Prägung noch nicht geläufig waren (Disposition einer Abfolge verschiedener, in engem Funktionszusammenhang miteinander verbundener Tonarten innerhalb eines Satzes), gerät ihm die Fuge als Folge ständigen Beibehaltens der Haupttonart – nur zweimal erscheint das Thema auch in der Dominanttonart fis-moll! – formal etwas unübersichtlich und harmonisch abwechslungsarm. Man erlebt daher das Stück eher als ein (allerdings sehr organisches!) Sich-Fortspinnen denn als disponierten Formablauf. Gliederungen entstehen durch das kürzere oder längere Schweigen des Pedalbasses bzw. durch das Aufkommen von Sechzehntelbewegung in den Partien Takt 24-34 und 65-77. Die Exposition (1-24) bringt das Doppelthema in etwas ungeregelter Abfolge zunächst zweimal als Dux (Alt/Tenor, dann Baß/Sopran), anschließend (11) als Comes, 21 wieder als Dux.

Mit dem Pedaleinsatz in Takt 73 beginnt Bach, steigernd auf den Schluß hinzuarbeiten, der Satz wird intensiver, drängender. In Takt 90 scheint das Ende erreicht – nun aber spielt Bach den Trumpf einer vierfachen Engführung der ersten Themenpartie (von Corelli seinerzeit nicht gebracht!) effektvoll aus. Die pochenden Achtel der anderen Themenpartie werden nicht enggeführt, aber gleich anschließend durch Austerzung gesteigert. Der Adagioschluß orientiert sich, wie vorher schon in manchem Detail die Tonsprache des gesamten Stücks, an Corellis Manier.

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by-sa

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