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Nach dem “Intermezzo” des G-Dur-Duetts greift Bach wieder auf die strengen Formprinzipien der ersten beiden Stücke zurück. Der Satzstruktur nach orientiert sich Nr.IV an Nr.II (Imitation), der Satzgestaltung nach an Nr.I (“asymmetrisch-unvollkommene” Dreiteiligkeit). So ergibt sich insgesamt eine Art Fuge. Wie alle Themen der Duette, so ist auch das a-moll-Thema dreifach gegliedert:

 

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An den markanten Kopf schließt sich ein zweitaktiges Bindeglied an (musikalisch wichtig der ungewöhnliche Ton b!); den längsten Raum nimmt die Achtelfiguration über dem Orgelpunkt e ein.

Das Thema umfaßt neun Takte (Trinitätssymbolik?). Folgende Zusammenhänge entwickeln sich: Die Oberstimme beantwortet das Thema regulär, in der Unterstimme tritt ein fortan beibehaltener Kontrapunkt hinzu. In Takt 17 begegnen wir einem neuen, zweistimmig im doppelten Kontrapunkt konzipierten Gedanken:

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Dieses viertaktige “Zwischenspielthema” wird zweimal hintereinander gebracht; ein dreimal wiederholtes, zweitaktiges Sequenzmotiv plus Kadenz schließt den ersten Teil ab (1-32). Nachdem das Zwischenspielthema durch seine modulatorische Struktur harmonisch Farbe in den Ablauf gebracht hatte, endet die Partie wieder in a-moll.

Der zweite Teil wiederholt zunächst fast vollständig das soeben Gebotene, jedoch mit vertauschten Stimmen. Der beibehaltene Kontrapunkt zu Thema 1 ist diesmal von vornherein mit dabei: Einen anderen tonartlichen Weg beschreitet die Musik dann dadurch, daß das Zwischenspielthema anders “eingefädelt” wird und nicht – wie das erste Mal – in der Subdominante, sondern auch in a-moll beginnt. Ab Takt 63 gehen dann die Dinge einen neuen, zusätzlichen Weg, wodurch dieser Teil auf 45 Takte anwächst: zunächst hören wir in der Unterstimme eine Achtelfiguration, die sich den dritten Themenabschnitt zum Vorbild nimmt (jedoch nicht orgelpunktfixiert). Danach erklingt das Thema in Comesgestalt in der Oberstimme, die Musik schließt auf der Molldominante (e) ab.(78).

Es ist ein bißchen willkürlich, hier den Beginn des dritten Teiles anzusetzen. Die Partien sind so beziehungsreich ineinander verknüpft, daß keine scharf definierbaren Gliederungen entstehen. Man kann auch den Themeneinsatz in 70 als einen Neubeginn ansehen. Jedenfalls hören wir in 79 das zweite Thema (Hauptmotiv in der Unter-, dann in der Oberstimme), gefolgt von einer stimmenvertauschten Wiederholung des neuen Materials aus dem zweiten Teil (also 63-70 86-93). Drei Takte leiten von der hier erreichten Subdominante (d) nach a-moll zurück, und das Thema erscheint zum letzten Mal (Unterstimme, T.96); das Stück klingt in einer fünftaktigen Schlußbildung aus. Übrigens findet sich in den Takten 94 bis 96 eine angedeutete, das nahe Ende markierende Engführung des Themenbeginns.

Die hier gebotene Einteilung des Stückes einmal akzeptiert, ergibt sich eine 32 + 45 + 31 proportionierte Dreiteiligkeit. Damit wären alle Duette, aus dreigliedrigen Themen entwickelt, dreiteilig geformt – eine vorausweisende Analogie zur im 3.Teil der Klavierübung ja anschließenden dreiteiligen Es-Dur-Fuge über drei Themen.

Musikalisch erleben wir im Duetto IV nach der gelösten, formal beinahe ein wenig “ausgelassenen” Atmosphäre des Duetto III eine Rückkehr zu arbeitsamer Ernsthaftigkeit, zu irdischen Mollbereichen, zu einem “Noch ist es nicht ganz soweit!”... Der endgültige Aufstieg vollzieht sich erst in der trinitarischen Es-Dur-Fuge. Die Schlußtöne der Duette im Ohr (e, F, G, a) erleben wir den ersten Fugeneinsatz auf b (darum ein dominantischer Beginn!) als erhebend mitreißendes Moment. Mit Recht hat Th. van Huystee darauf aufmerksam gemacht, daß dieses b nicht ohne Grund ganz ungewöhnlicherweise in das Thema des IV. Duetts eingebaut ist und – hier noch als “diabolus in musica” – die große Wende vom Irdischen zur himmlisch überhöhten Welt der Fuge plausibel vorbereitet.

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by-sa

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