Entstehungszeit: ?
Das erste Stück der Reihe (und nur dies allein!) hat ein Thema, das schon selbst als Duo, als Simultanthema (“Thema + Kontrasubjekt”) konzipiert ist:
Die reich und hochexpressiv ausgestaltete Oberstimme (“Thema”) erwächst deutlich aus drei Abschnitten (siehe Klammern Notenbeispiel). Die Unterstimme (“Kontrasubjekt”) beschränkt sich auf den Tonraum der Quarte e-H. Durch lineare Oktavierungen verspreizt, durchschreitet sie ihn zunächst chromatisch abwärts (“passus duriusculus”, Leidenssymbol), sodann schlicht diatonisch aufwärts, schließlich noch einmal diatonisch abwärts (dabei nach h-moll modulierend). Allein aus diesem Themenmaterial entwickelt Bach mit frappierender Konsequenz und Ökonomie das ganze, 75 Takte umfassende Stück!
Der erste Abschnitt (1-28) hat folgende Ausformung:
a) Thema (Mit “Thema” ist hier und anschließend der ganze, zweistimmige Komplex gemeint) in e (1-6) / Thema in h, dabei Stimmen vertauscht (6-12) / sequenzierend imitierendes Spiel mit dem letzten Takt der ursprünglichen Oberstimme (siehe Notenbeispiel 3b), das nach e-moll zurückführt (13-17/18).
b) Ausweitung und Variation des Themas auf 11 Takte. Der Themenkopf der Oberstimme wird durch wiederholendes Auf und Ab ausgesponnen, während der Unterstimme diese neugewonnene Formel gleichzeitig in kanonischer Imitation zur Oberstimme vier Takte lang vorangestellt wird. Danach geht es zunächst ohne weitere Modifikationen bis zum vorletzten Takt weiter. Dieser wird alsbald – unter Aufgabe des ursprünglich noch folgenden, letzten Taktes – zu einer viertaktigen Sequenz entfaltet, der in die Paralleltonart G-Dur moduliert.
Der zweite Abschnitt (29-56) ist inhaltlich mit dem ersten identisch; doch bekommen wir die Dinge in ganz anderer Beleuchtung dadurch zu sehen, daß Bach neue Tonartenbereiche durchschreitet und die Stimmen gegenüber der Erstfassung stets vertauscht sind. Welch konzeptioneller Scharfsinn gehört dazu, äußerste thematisch-strukturelle Konsequenz und eine formal sinnvolle, modulatorische Abfolge der zu e-moll gehörenden Tonartbereiche zu erzielen! Von G-Dur ausgehend, erreicht Bach in diesem Abschnitt über h-moll die Molldominante der Paralleltonart G-Dur, also d-Moll.
Hier setzt der dritte und letzte Abschnitt ein. Er greift den variierend-erweiternden zweiten Teil beider bisherigen Abschnitte auf. Wieder verlängert Bach das Kopfmotiv der Thema-Oberstimme, wiederum wird der Unterstimme dieselbe Formel imitierend vorangestellt, diesmal aber – pausenunterbrochen – je einmal in der Umkehrung (“inverso”) und einmal in der Grundform. Das Ganze ist so ausgelegt, daß dabei eine elegante Modulation von d-moll nach e-moll bewerkstelligt wird. Nun hören wir wieder das Thema wie zuvor auch, gekürzt um seinen letzten Takt. Das Stück geht damit zu Ende, daß – stimmenvertauscht – noch einmal das Thema (ohne seinen letzten Takt) erklingt, ergänzt von einer kleinen, thematische Partikel verarbeitenden Coda. Der dritte Abschnitt ist kürzer als die beiden ersten: statt 28 nur 17 Takte. Wir beobachten also eine dreiteilige Form von naturhaft unvollkommener Symmetrie (vgl. das folgende Stück!).
Bitte beachten Sie auch die Ausführungen zum möglichen Verständnis dieses und des nachfolgenden Duetts Nr. 2 BWV 803.
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- Zuletzt aktualisiert: 22. März 2014
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