Entstehungszeit: ?
Im “Dritten Theil der Clavierübung”, 1739 im Druck veröffentlicht, findet sich zum Schluß, nur noch von der Es-Dur-Fuge BWV 552/2 gefolgt, eine Serie zweistimmiger manualiter-Stücke – die vier Duette. Der Titel des Gesamtwerkes erwähnt sie ebensowenig wie das rahmende Präludium und Fuge Es-Dur; er nimmt ausschließlich auf den zentralen Inhalt, also die 21 großen und kleinen Choralbearbeitungen Bezug. (Näheres zum Dritten Teil der Klavierübung unter BWV 552). Lange hat man die Duette für Cembalomusik gehalten: etwas unmotiviert – so heißt es – habe Bach sie mit aufgenommen, um den Kundenkreis für seine Veröffentlichung zu erweitern. Ohne die Duette hätten die Cembalisten nur die kleinen, manualiter gehaltenen Choralbearbeitungen, jedoch keine freien Werke zur Verfügung gehabt, während den Organisten der Löwenanteil zugefallen wäre. Entsprechend oft trifft man in heutigen Ausgaben Bachscher Cembalomusik auch auf die aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissenen Duette. Sicher darf man voraussetzen, daß Bach die Wiedergabe der manualiter-Stücke des Dritten Teils der Klavierübung auf dem Cembalo als legitime Möglichkeit musikalischer Realisierung angesehen hat. Dennoch haben drei Gesichtspunkte zu der heute so gut wie einhellig vertretenen Überzeugung geführt, daß auch die Duette in erster Linie als Orgelmusik zu gelten haben:
- Während Bach im Ersten, Zweiten und später im Vierten Teil der Klavierübung (genau wie sonst) den größeren Tastenumfang des Cembalos voraussetzt, hält er sich bei den Duetten strikt an den Ambitus der zeitgenössischen Orgelklaviatur (C bis c′′′).
- Wie schon im Zusammenhang mit BWV 552 gesagt: als konzeptionelles Vorbild, oder besser gesagt als konzeptionellen Anknüpfungspunkt für den Dritten Teil der Klavierübung hat Bach sich das “Premier Livre d’Orgue” von Nicolas de Grigny gewählt. Von anderen Parallelen abgesehen, entsprechen den vier Duetten dort die drei Duos als Beispiel zweistimmiger Setzweise für die Orgel.
- Die von Bach in den Duetten verwendeten Figuren und Affekte, die Art ihrer Disposition und Plazierung, die formale Proportionierung im großen wie im kleinen machen es zumindest recht schwer, den Gesamteindruck einer geistlich orientierten Symbolik für rein zufällig zu halten.
Kontrapunktisch-tonsetzerisch sind die Duette wahre Wunderwerke. In ihnen findet das kompositorische Generalthema “Zweistimmige Invention”, wie es Bach zwei Jahrzehnte zuvor konzipiert hatte, zu seiner vollendeten Lösung. Bei der zweistimmigen Invention geht es, um die vorzügliche Definition von Ralph Kirkpatrick zu übernehmen, darum, “den linearen Umriß in einer solchen Weise zu fügen, daß die reichste und kühnste Harmoniegestaltung hervorgerufen wird”. Betrachten wir die Duette im einzelnen:
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- Zuletzt aktualisiert: 22. März 2014
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