Entstehungszeit: Weimar ca. 1709
Wennschon dies dreisätzige, unter verschiedenen Titeln auf uns gekommene Werk unter Bachs Namen überliefert ist, lädt es doch zu Spekulationen darüber ein, ob Bachs Autorenschaft als sicher anzusehen ist. Dem allgemeinen Zeitstil nach zu urteilen, den es widerspiegelt, müßte es natürlich aus Bachs jungen Jahren stammen. Es weist aber dafür weder spezifisch Bachsche Eigenheiten aus dieser Epoche auf, noch lassen charakteristische kompositorische Unebenheiten, wie sie sonst vorkommen, auf den jungen Komponisten schließen. Eher im Gegenteil: es liegt hier ein recht gut bis sehr gut gearbeitetes und hörenswertes Werk von sich steigernder Konzentration und Wirkung vor, dem zu wünschen wäre, daß es mehr als bisher hervorgeholt würde. Vielleicht eine Übertragung, eine Umarbeitung nach fremder Vorlage?
Der inneren Einheitlichkeit das Werkes kommt zugute, daß alle drei Sätze aus einem einzigen Grundgedanken entwickelt werden:
bzw. umgekehrt
Dieser thematische Gedanke erfährt im 1.Satz (keine Tempoangabe) folgende Rhythmisierung:
In dieser Form liegt er auch einem Stück aus der “Clavier-Übung” von Bachs Leipziger Amtsvorgänger Johann Kuhnau (1660-1722) zugrunde. Der munter dahinmusizierende Satz erinnert teils an italienische Konzerte der Zeit, in manchem auch an Johann Adam Reincken (1643-1722; St. Katharinen/ Hamburg), die “insistierenden” Takte 42ff. gehören zum buxtehudischen“Inventar”. Die Frage, ob und wieweit das Pedal zu beteiligen ist, läßt sich nicht eindeutig klären. Der Satz endet nicht in G-, sondern auf einem Halbschluß in H-Dur, also der Dominante von e-moll, in welchem regelgemäß der nun folgende langsame zweite Satz steht.
Das Thema dieses 2.Satzes (Adagio) bietet die Umkehrung des im 1. Satz verwendeten Themas:
Der 3.Satz (Allegro) ist eine Chaconne, d.h. ein ostinates (=unablässig wiederkehrendes) Thema wird variierend in immer neue kontrapunktische Zusammenhänge eingekleidet. Nach damaliger französischer Praxis (wo die Chaconne in der Opernmusik blühte) erscheint das Thema, das hier aus Aneinanderreihungen des eingangs genannten Grundgedankens gebildet ist, in den Varianten
und
Ein Vorgehen, das den harmonischen Spielraum erweitert. Diese Themaversionen wandern durch alle vier Stimmen, um sich in steigernder Schlußwirkung zu einer vollständigen G-Dur-Tonleiter im Pedal zu vereinigen. Eine kompositorische Idee, der wir – mutatis mutandis – auch in der großartigen Schlußsteigerung des Mittelteils der Pièce d’Orgue BWV 572 (Pedal!) begegnen. Diese Parallelität liefert ein starkes Argument gegen Zweifel an Bachs Autorschaft auch für BWV 571. Die innere Lebhaftigkeit der kontrapunktierenden Stimmen nimmt im Verlauf des Stückes bis hin zum festlichen Schluß immer weiter zu. Die Chaconne ist der weitaus gelungenste und schönste Teil des Werkes; Bachs Autorenschaft einmal als gegeben angenommen, wäre sie auch die einzige, die er für Orgel geschrieben hat. Die Neue Bach-Ausgabe hat das Stück in ihrem Band IV,11 aufgenommen.
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- Zuletzt aktualisiert: 17. September 2015
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