Entstehungszeit: Weimar (Fuge etwas früher?)
Das berühmte, musikalisch wie technisch glanzvolle Werk ist eine Spitzenleistung des jungen Bach als Orgelkomponist- und -virtuose: Zum Zeitpunkt seiner Entstehung dürfte er noch nicht allzu lange sein Weimarer Hoforganistenamt bekleidet haben. In ihm dokumentiert sich die nun weitreichend ausgebildete Fähigkeit Bachs, formale und tonsprachliche Einflüsse verschiedenster Herkunft – in diesem Falle etwa aus der norddeutschen Orgelschule, der französischen Musik und der Corelli-Ära Italiens – assimilierend und potenzierend zu ganz neuer musikalischer Individualität zu verbinden. Präludium und Fuge reißen den Hörer gleichermaßen spontan begeisternd mit und bereiten keine Hör- und Verständnisschwierigkeiten.
Das in klarer Dreiteiligkeit konzipierte Präludium ist auch unter dem Titel “Piece d’Orgue” überliefert (vgl. die ebenfalls dreiteilig angelegte Pièce d’Orgue/Fantasie G-Dur BWV 572!). Schon der Beginn des Stücks – eine aufwärtsstürmende D-Dur-Tonleiter des Pedals – signalisiert, daß es in diesem Stück um Virtuosität, besonders solche des Pedals, gehen soll. Die anschließenden Passagen stehen in offenkundig naher verwandtschaftlicher Beziehung zu Bachs D-Dur-Cembalotokkata, die – um einiges früher entstanden – noch eine Reihe anderer, sublim-keimhafter Verbindungen zum vorliegenden Stück aufweist:
Präludium:
Toccata:
Diese akkordisch aufgefächerten Dreiklangsbrechungen greift das Pedal einstimmig auf; umgekehrt taucht dessen Eingangstonleiter auch im Manual auf. Takt 5 erreicht einen Orgelpunkt auf A, über dem der Schwung des Anfangs zweistimmig abfließt. Nach wirkungsvoller Generalpause setzt Bach einen harmonischen und gestischen Kontrast: über dem Orgelpunkt Fis erscheint die scharfe Rhythmik zeitgenössischer französischer Orchesterouvertüren:
ausgeführt:
Sie mündet in ein dramatisches Akkordtremolo. Die fünftaktige Partie endet in Fis-Dur (Dominante der Mollparallele von D-Dur). Ohne irgendeine Modulation kehrt nun Bach mit einem strahlenden D-Dur-Tonleiterlauf (32tel) in die Ausgangstonart zurück und bringt damit die insgesamt nur 16 Takte lange Einleitung äußerst effektvoll zum Abschluß.
Es folgt ein lang ausgesponnener alla-breve-Mittelteil, ganz im fröhlichen und wohllautenden Stil etwa der Corellischen Konzerte, deren typische harmonische und figurative Formelwelt hier zum Einsatz kommt. Der 32 Takte umfassende Abschnitt rechnet mit einer dialogischen Wiedergabe auf zwei gleichstarken Manualen. Das gutgelaunte Treiben verfängt sich in den Takten 93/94 gleich zweimal in einen Trugschluß nach h-moll. Auch ein dritter Anlauf führt nicht ins erwartete D-Dur, sondern über eine (agogische!), Fermate in einen verminderten Septakkord (chromatische Rückung):
Nach diesem dramatischen Zusammen- und Abbruch folgt der Schlußabschnitt (Adagio), der einen völligen Umschwung der Stimmung herbeiführt. Seine leidenschaftliche, an harmonischen Überraschungen reiche Rezitativik im gebundenen Stil (fünfstimmig mit Doppelpedal) setzt einen ebenso scharfen Kontrast zum Vorangegangenen wie zum Folgenden. Die jetzt einsetzende Fuge erstrahlt vor solchem Hintergrund um so frischer in heiterer Freudigkeit! (Einen Parallelfall bietet das Grave der C-Dur Tokkata BWV 564).
Das quirlig-lebendige Fugenthema mit seiner überraschenden “Kunstpause” im zweiten Takt
verarbeitet Bach zu einem mitreißenden, ebenso geistvoll wie locker gehaltenen Virtuosenstück, das in vielen Details Buxtehudes Einfluß verrät. Buxtehudisch ist etwa der humorvolle, das ganze Stück durchziehende Kontrapunkteinwurf
der dem Thema ständig in seine Kunstpause (s.o.) hineinredet. Von Buxtehude ebenso gern verwendet wird auch die besondere, “spielmannhafte” Achtel-Viertel-Rhythmik, die -gleichfalls das ganze Stück hindurch- die zweite Themenhälfte kontrapunktiert:
Buxtehudisch sind schließlich auch die insistierend auf der Stelle kreiselnden Passagen in den Takten 60ff und (z.T.) 107ff.
Bei aller unbekümmerten Spielfreude, allem ungehemmten Fluß des Geschehens ist das Stück im Großen doch klar geformt: In einem ersten Abschnitt bieten die Takte 1-53 die Exposition und eine weitere Durchführung des Themas (drei Einsätze) mit abschließender Modulation in die Mollparallele (h-moll). Im Bereich der Nebentonarten h-, fis- und cis-moll bewegt sich der Mittelteil (53-96); über einen weiteren Einsatz in E-Dur, leitet er nach A-Dur und damit in die Dominante der Haupttonart zurück. Hier beginnt der Schlußteil (96-137), dessen teilweise neues Figurenwerk die Spannung rauschend steigert, um nach letztem thematischem Einsatz im Pedal in ein rasantes Pedalsolo und den kecken Überraschungsschluß zu münden.
Die Fuge ist auch in einer erheblich kürzeren und im Detail z.T. noch unausgereiften Frühfassung überliefert.
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- Zuletzt aktualisiert: 22. März 2014
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