Entstehungszeit: Weimar (?)
Bei Betrachtung der drei Orgeltranskriptionen Bachs nach Vivaldischen Vorlagen – das Concerto C-Dur BWV 594 geht auf eine von mehreren Fassungen des Violinkonzertes D-Dur/RV 208 (“Grosso Mogul”) zurück – ist man zu der Annahme versucht, für das vorliegende Stück einen anderen Entstehungszusammenhang anzunehmen als für das a-moll- und das d-moll-Konzert. Im Unterschied zu den beiden letzteren fällt nämlich auf, daß die Originaltonart nicht beibehalten wird. Ob das geschah, weil Bach Schwierigkeiten umgehen wollte, die der Tastenumfang der Orgel sonst bereitet hätte, oder weil er auf diese Weise akustisch die Originaltonart beibehalten wollte (höhere Orgelstimmung!), mag hier offen bleiben. Ferner fällt auf, daß mit einem Rückpositiv auf 4′-Basis gerechnet wird (Notation eine Oktave tiefer) und daß die Vorlage in diesem Fall nicht aus dem “Estro Armonico” von 1711 stammt, sondern vielleicht etwas später entstand. Jedenfalls erschien die Druckfassung des Originalkonzerts (ohne die Kadenzen und mit einem anderen Mittelsatz) erst zwischen 1716 und 1721. Davor entstanden ist sicherlich das Autograph Vivaldis (Kompositionsniederschrift), das bis auf die Kadenzen die von Bach übernommene Version bietet. Eine vollständig der Transkription entsprechende Fassung des Konzertes (einschließlich der Kadenzen) fand sich schließlich im Manuskript eines Organisten und Lakaien des Schweriner Hofes, das sehr wahrscheinlich einiges vor 1730 kopiert wurde. Die früheste Abschrift des Bachschen Arrangements stammt von Wilhelm Friedemann Bach; für sie wurde ein Notenpapier verwendet, welches laut musikwissenschaftlichem Befund im Hause Bachs zwischen 1727 und 1731 nachweisbar ist (Bachsche Autographe auf diesem Papier vom 17.10.1727 bis 2.12.1731!).
Bevor die eben skizzierten Fakten vorlagen, hat es große Unsicherheit und manches Fehlurteil hinsichtlich der Echtheit und des musikalischen Wertes der Bachschen Bearbeitung gegeben; das soll hier im einzelnen nicht nachgezeichnet werden. Dazu hat allerdings nicht nur die Quellen- und Authenzitätsfrage, sondern der Stil des Werkes selbst beigetragen - womit wir uns nun der Musik selbst zuwenden wollen: Im Gegensatz etwa zum d-moll- und a-moll-Konzert, die beide von anspruchsvoller und gediegener tonsetzerischer Arbeit zeugen, erweckt das “Grosso Mogul”-Konzert, und damit auch seine Bearbeitung den Eindruck, als sei es mit sehr leichter Hand aufs Papier geworfen. Optisch wirkt es – zumindest, was die Ecksätze angeht – wie eine Skizze. Das lebendige Klangbild macht dagegen einen schon wesentlich günstigeren Eindruck und wenn hier schon “al fresco” komponiert worden ist, so geschah es doch mit souverän-erfahrenem Kalkül für akustisch realen Effekt. Ihn hatte Bach wohl im Auge, als er sich entschloß, das Stück für die Orgel spielbar zu machen, und eine sorgfältige, wesensgemäße Wiedergabe wird vermeiden, ihm etwas abzuverlangen, was es nicht bieten kann, es andererseits aber zu dem entbinden, was sein immanentes Ideal ist: konzertant-virtuose Unterhaltsamkeit, vergnügte Leichtigkeit.
Der 1.Satz beginnt mit folgendem Tutti-Hauptsatz:
Man beachte die hübsche, steigernd aufbauende Entwicklung des musikalischen Geschehens aus dem Grundton c heraus. Die Akkordschläge in Takt 5ff. werden zum Hauptkennzeichen der im übrigen dann variabel gebauten Wiederholungen des Tuttisatzes. Die Soloabschnitte und die (einstimmig belassene) Kadenz verwenden das einschlägige Figurenrepertoire des Genres – Phantasie und Spielfreude, nicht aber thematische Arbeit sind der Motor des Ganzen. Der sehr ausgedehnte Satz schließt nach der Solokadenz mit vier knappen Tuttitakten unisono.
Ein sehr reizvolles und originelles Stück ist der 2.Satz, ein rezitativisches Adagio von sehr persönlicher, ganz formelfreier Aussage:
Von Raffinement zeugt, wie die rhythmischen Ziel- und Strebepunkte der Solostimme allmählich nicht mehr mit den harmonischen Angelpunkten, wie sie die Akkordschläge der Begleitung markieren, zusammenfallen. Das schafft eine eigentümliche, fast gequälte Unrast, die sich in den letzten Takten über dem Dominantorgelpunkt hochexpressiv und leidenschaftlich ausspricht, um endlich – mit einer letzten klagenden, händeaufhebenden Gebärde über dem Schlußakkord – zur Ruhe zu kommen; eine geniale Stelle! Inmitten der beiden leicht geschürzten Ecksätze bildet dieser schöne Satz einen gehaltvollen Ruhepunkt.
Der 3.Satz (wieder Allegro) bietet in seinen Tuttiteilen simple, durch Tonrepetitionen belebte Akkordfolgen, in den ausgedehnten Seitensätzen in phantasieartiger Reihung das gewohnte Figurenwerk. In der Kadenz lassen interessante Arpeggien aufhorchen; die dabei entscheidenden Töne sind Zutat Bachs (im Beispiel angekreuzt).
Takt 245 und Parallelstellen (x: as statt original a′!):
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- Zuletzt aktualisiert: 18. September 2015
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