Entstehungszeit: (Weimar-Köthen-) Leipzig
Beachten Sie auch die Einführung zu den Triosonaten!
Die fünfte Sonate, in allen Teilen ein perfektes Meisterwerk von höchster Qualität, ist wahrscheinlich die meistgespielte und beliebteste der Sonaten.
Der 1.Satz (Allegro; Dacapoteil Typus 1, sonst auch 2) ist formal den Ecksätzen der dritten Sonate, besonders deren erstem, nah verwandt. Musikalisch vor allem bestechend ist die vollendete Grazie des Dacapo-Teils ( 1-50 = 105-155).
Das zweitaktige Hauptthema ist – auf einfacher harmonischer Grundlage – mehrstimmig-homophon konzipiert; mit vertauschten Stimmen wird es sogleich wiederholt:
Die anschließende Fortspinnung – sie strebt schrittweise der Dominante zu, auf der sie schließlich zäsurbildend abkadenziert – ist ein Muster an melodiöser Plastik der Einzelstimmen. Man empfindet sie zusammen mit dem Thema vorher als in sich geschlossene Einheit. Als solche wird der ganze Abschnitt, mit Ausnahme der Schlußtakte, in denen die Oberstimmen anders gelagert werden müssen, wörtlich in der Dominanttonart wiederholt. Durch Austausch der Oberstimmen erstrahlt er in frischem, verändertem Licht; der Abschnitt führt nach C-Dur zurück. Ein geringfügig längerer Abschnitt begibt sich nun auf einen Ausflug weit in den subdominantischen Bereich, um plagal doppelt bestätigt (Takte 35/36: Dominantseptakkord zur Subdominante der Subdominante!) endgültig nach C-Dur zurückzukehren. Inhaltlich ist dieser Abschnitt von den beiden vorigen bis auf die letzten Takte mit ihren charakteristisch aufsteigenden Baßfiguren verschieden. Bach organisiert hier über Orgelpunkten und anhand von Sequenzbildungen ein unterhaltsames Spiel, das motivisch einzig und allein um die einleitende Sechzehntelfigur des Hauptthemas (siehe Takt 1) kreist. – Insgesamt ergibt sich also, daß der Dacapo-Teil dreigliedrig gestaltet ist.
Der Mittelteil setzt – wir kennen dies Verfahren bereits aus vorangegangenen Beispielen – mit einem neuen Gedanken ein:
Er wird auf zweierlei Weise imitatorisch verarbeitet. Zunächst in der üblichen, d.h. mit tonaler Beantwortung des Soprans durch den Alt (51ff.), Takt 60ff. hingegen mit einem Verfahren, das man “alternierende Imitation” nennen könnte und in Bachs Triosätzen viel Verwendung findet:
Daneben erkennen wir Fortspinnungen dieses Gedankens, die ihrerseits imitiert werden. Takt 68 meldet sich das erste Thema wieder, vorerst nur mit der ersten Hälfte, Takt 72 – bei vertauschten Oberstimmen – vollständig und mit der vertrauten Wiederholung. Wir hatten indes über a- und d-moll die Subdominanttonart F-Dur erreicht.
Ein viertaktiges Zwischenspiel, dem der Anfang des zweiten Themas zugrundeliegt, führt nach a-moll, und wir hören nochmals das vollständige Thema. Nach diesem 12taktigen Ritornell (im Sinne des Tuttihauptsatzes des italienischen Konzerts) unternimmt das zweite Thema einen weiteren Anlauf. Von a-moll ausgehend und mit vertauschten Oberstimmen erleben wir jetzt eine wörtliche Wiederholung der ersten 21 Takte des Mittelteils. Schließlich erreicht der Satz wieder den Punkt, an dem wir das Ritornell zu erwarten gelernt haben. Wirkungsvoll steigernd und lösend fügt hier Bach aber das Dacapo an! Das Formschema des Mittelteils sieht also so aus:
51-71 (Thema 2 etc.) / 72-84 (Thema 1, Ritornell) / 84-104 (Thema 2 etc.) / 105: Dacapo-Anschluß
Dem 2.Satz (a-mo11, Largo; Typus 2) gebührt nach weithin geteilter Meinung unter allen langsamen Sätzen der Sonaten die Krone. In der Tat suchen hier besondere Originalität und Individualität, Kostbarkeit und Intensität der Tonsprache ihresgleichen. Reich und vielgestaltig gegliedert, bilden die Gesten des Hauptthemas doch einen einzigen, durchgehenden Spannungsbogen:
Dies Thema, im folgenden von einem beibehaltenen Kontrapunkt begleitet, eignet sich nicht zur tonalen Beantwortung; man beachte, mit welchem musikalisch überzeugenden Geschick Bach das Thema anschließend im Alt (Dominanteinsatz, Takte 8/9) vermittels einer modulatorischen Streckung doch nach a-moll zurückbringt! In entspanntem Kontrast dazu steht folgender zweiter Gedanke auf homophoner Basis (ausfigurierte Plagalkadenz):
Zur formalen Gestaltung: Die Takte 1-12 (Thema im Sopran, Thema im Alt, abschließende Gruppe) erscheinen als Dacapo noch einmal am Ende (Takte 41-54); zwei angehängte Takte führen in einen Halbschluß (“Doppelpunktwirkung”) und damit auf den dritten Satz hin. In Takt 10 taucht eine kontrapunktische Floskel auf, die so und in leicht abgewandelter Form im weiteren Verlauf sehr häufig eine Rolle spielt und zu einem charakteristischen, kunstvoll imitatorisch ausgewerteten Motiv wird:
Die nächsten acht Takte stehen im Zeichen des zweiten Themas, das schließlich im parallelen C-Dur erklingt. Gleich danach auch Thema 1 in C-Dur mit diesmal realer Beantwortung in G-Dur. Dadurch wird der Weg zur Molldominante d-moll frei. Die letzten 12 Takte verwerten, in anderer Reihung, schon Bekanntes.
Die Schilderung dieses schematischen Gerüstes sagt natürlich wieder wenig über den musikalischen Gehalt des Ganzen aus und soll nur als Orientierungshilfe dienen. Die musikalischen Werte des Satzes manifestieren sich weitaus mehr in den erlesenen harmonischen Wirkungen, der maßvollen Chromatik und der eingangs schon erwähnten meisterhaften Formung des Linienspiels.
Eine geist- und launesprühende Kostbarkeit ist der 3.Satz (Allegro; Typus 3). In diesem fugenhaft, zudem mit zwei Themen gearbeiteten Stück spielt Bach seine unübertreffliche Gestaltungskraft voll aus und beeindruckt obendrein durch eine souveräne Formgestaltung mit“besonderem Pfiff” (Reprise des Seitensatzes, s.u.). Das prägnante, viertaktige Thema 1 lautet:
Liebenswürdig einprägsame Fortspinnungen führen nach den ersten beiden Themeneinsätzen in Sopran und Alt bis Takt 20. Dort übernimmt der Baß mit dreimalig, sequenzierend vorgetragenem Thema die Führung und schließt den ersten Teil (Takte 1-28) ab.
Der nächste Teil erstreckt sich über 44 Takte (29-72). Er beginnt mit dem sogleich durch alle drei Stimmen hindurch kanonisch auf gleicher Stufe durchimitierten Thema:
Die anschließenden Partien zehren von den ersten beiden Takten des zweiten Themas. Ab Takt 43 mischt sich zunehmend das erste Thema wieder ein, wobei es ab Takt 51, im Baße sequenzierend, mit dem Themenkopf des zweiten Themas kombiniert wird! Takt 59ff. folgt weitere kontrapunktische Steigerung: das erste Thema wird in der nunmehr erreichten Dominanttonart G-Dur enggeführt; ein Zitat aus Teil 1 (Takte 13-20 nach G-Dur transponiert) schließt den zweiten Teil ab.
Das allgegenwärtige erste Thema als Grundlage, durchstreift die Musik jetzt im dritten Teil, bei steigender Aktivität aller Stimmen, bei noch lebhafterer Führung der Pedalstimme die Bereiche der Nebentonarten d-, a- und e-moll, um sich schließlich der Subdominante F-Dur zuzuwenden.
Hier setzt als vierter Teil eine wörtliche Wiederholung des zweiten Teiles ein – er führt von F-Dur nach C-Dur zurück (Seitensatz-Dacapo/ Seitensatzreprise). Durch seine besondere Anlage (also immer stärkeres Vordringen des ersten Themas, schließlich dessen Engführung, s.o.) ist der Teil dazu prädestiniert, abschließendes Glied des Gesamtsatzes zu werden, durch das sich der Kreis schließt. Eine besonders überzeugende Variante in der Kombination formaler Mittel, die Bach zur Disposition hat!
Formale Übersicht des 3.Satzes:
1. Teil: | 28/29 Takte (1-28/29) |
Exposition Thema 1 |
2. Teil: | 44/45 Takte (29-72/3) |
Themen 2 + 1 (C- nach G-Dur) |
3. Teil: | 46 Takte (73-119) |
Durchführung Thema 1 |
4. Teil: | 45 Takte (119-163) |
Themen 2 + 1 (= Teil 2 mit vertauschten Stimmen, F- nach C-Dur) |
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- Zuletzt aktualisiert: 18. Mai 2014
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